Abpflastern: Gute Idee, starke Beteiligung – doch die Strukturen fehlen

Mit „Abpflastern – von Grau zu Grün“ wollte Hamburg zeigen, wie Bürger:innen aktiv zum Klimaschutz beitragen können: Pflastersteine raus, Grün rein – ein Wettbewerb inspiriert vom niederländischen Tegelwippen. Die Resonanz war enorm. Allein im Bezirk Hamburg-Mitte wurden rund 650 Vorschläge für entsiegelte Flächen eingereicht , stadtweit waren es bis kurz zum Ende des Wettbewerbs über 1.951 Einträge – weit mehr, als die Initiator:innen erwartet hatten. Doch zwischen digitaler Begeisterung und behördlicher Umsetzung klafft eine Lücke.

Was steckt hinter „Abpflastern – von Grau zu Grün“

Die Idee stammt aus den Niederlanden: Dort begann 2020 ein Wettbewerb namens „Tegelwippen“ – frei übersetzt „Fliesenhebeln“. Städte wie Amsterdam und Rotterdam traten gegeneinander an, um möglichst viele Pflastersteine zu entfernen und durch Grünflächen zu ersetzen. Was als freundlicher Städtewettstreit begann, wurde rasch zu einer landesweiten Bewegung: Bereits 2023 beteiligten sich über 170 niederländische Städte und Gemeinden, und bis 2024 wurden mehr als neun Millionen Pflastersteine herausgehebelt und durch Grün ersetzt. Die erfolgreichsten Kommunen werden mit der „Goldenen Fliese“ („Gouden Tegel“) ausgezeichnet – eine symbolische Trophäe, die inzwischen landesweit bekannt ist.

Die Idee funktioniert, weil sie einfach und sichtbar ist: Jede entsiegelte Fläche macht einen Unterschied. Weniger Beton bedeutet weniger Hitze im Sommer, mehr Raum für Wasser bei Starkregen und mehr Lebensraum für Pflanzen und Tiere.

Auch in Deutschland fand der Ansatz schnell Anklang. Eine Studierendengruppe an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung in Koblenz brachte 2023 das Konzept unter dem Namen „Abpflastern – von Grau zu Grün“ erstmals bundesweit ins Gespräch. Hamburg griff die Idee auf – und war 2025 die erste deutsche Großstadt, die daraus einen eigenen Wettbewerb machte.

Federführend ist die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA). Gemeinsam mit der Initiative Lokalkraft, der HafenCity Universität und der Civic-Tech-Gruppe Code for Hamburg wurde die digitale Plattform beteilige.me entwickelt. Sie basiert auf dem städtischen Beteiligungssystem DIPAS und bildet das Herzstück des Wettbewerbs: Bürger:innen können dort versiegelte Flächen eintragen, die sie sich begrünt wünschen – oder selbst umgesetzte Entsiegelungen dokumentieren.

Auf der interaktiven Karte finden sich Spielplätze, Schulhöfe, Parkplätze oder Kreuzungen, an denen sich Asphalt in Beete, Wiesen oder Bäume verwandeln könnte. So entsteht ein lebendiges Bild, wo Hamburg heute noch grau ist – und wo es grün werden kann.

Gefördert wird die digitale Plattform im Rahmen des Smart-City-Projekts „Connected Urban Twins (CUT)“, das Hamburg gemeinsam mit Leipzig und München umsetzt. Ziel ist es, Bürgerbeteiligung digitaler, transparenter und einfacher zu machen. Abpflastern ist also nicht nur ein Umweltprojekt, sondern auch ein Testlauf für die Zukunft städtischer Beteiligung: Wie gelingt es, dass Ideen aus der Stadtgesellschaft direkt in die Verwaltung und letztlich auf die Baustelle kommen?

Bürger:innen machen mit – und zeigen, dass Beteiligung funktioniert

Der Wettbewerb Abpflastern – von Grau zu Grün hat in Hamburg einen Nerv getroffen. Bereits wenige Wochen nach dem Start wuchs die digitale Karte auf beteilige.me rasant: Über 1.951 Einträge gingen ein – weit mehr, als die Initiator:innen erwartet hatten. “Anfangs hatten wir gedacht, hoffentlich kommen ein paar Dutzend Einträge zusammen – und jetzt sind wir bei über 1.400,” sagte Sebastian Dorsch von der Initiative Lokalkraft im Sommer gegenüber der taz . “Im Vergleich zu anderen Online-Beteiligungen ist das eine wirklich riesige Resonanz.”

Eingetragen wurden vor allem Schulhöfe, Parkplätze, Innenhöfe und kleinere Flächen in Wohnstraßen, an denen Asphalt und Pflaster durch Beete, Bäume oder Wiesen ersetzt werden könnten. Der Erfolg zeigt: Wenn Beteiligung konkret wird und Menschen sehen, dass ihre Ideen sichtbar sind, machen sie mit. Viele der eingereichten Vorschläge sind noch in Planung, manche wurden bereits umgesetzt – etwa in Schulprojekten oder durch Nachbarschaften, die eigene Flächen entsiegelt und bepflanzt haben. Auch kleine Veränderungen, wie das Entfernen einzelner Steine oder das Pflanzen von Baumscheiben entlang der Häuser, tragen zum großen Ziel bei: mehr Grün, weniger Hitze, mehr Lebensqualität.

Von der Idee zur Umsetzung – wo Beteiligung an Strukturen scheitert

So groß das Engagement der Hamburger:innen war, so deutlich zeigt sich ein Problem: Zwischen digitaler Beteiligung und konkreter Umsetzung fehlt ein funktionierender Prozess. Besonders im Bezirk Hamburg-Mitte, wo rund 650 Vorschläge auf der Abpflastern-Karte eingereicht wurden, kommt bislang nur ein Bruchteil bei der Verwaltung an. Laut der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Volt-Fraktion wurden dem Bezirksamt Mitte lediglich fünf Vorschläge von der BUKEA übermittelt – drei davon sollten unverbindlich durch das Fachamt geprüft werden . Tatsächlich erhielt das Bezirksamt keine regelmäßige Übermittlung der Online-Vorschläge; es gab nur die einmalige Bitte um eine grobe Einschätzung von drei Flächen . Aufgrund fehlender personeller und finanzieller Ressourcen sei eine fortlaufende Prüfung derzeit “nicht möglich”, so die Verwaltung . Was auf den ersten Blick nach einer technischen Verzögerung klingt, deutet auf ein organisatorisches Problem hin.

Weder die Umweltbehörde (BUKEA) noch die Bezirksämter verfügen bislang über eine digitale Schnittstelle, die Vorschläge automatisch weiterleitet oder ihren Bearbeitungsstand transparent macht. Hinzu kommt: Viele Fachämter sind personell bereits stark ausgelastet und können neue Beteiligungsprozesse höchstens zusätzlich, aber nicht systematisch betreuen. So bleiben viele gute Ideen zunächst liegen – nicht aus Desinteresse, sondern weil klare Zuständigkeiten, feste Abläufe und Ressourcen fehlen. Für die Bürger:innen wirkt das dennoch wie Stillstand.

„Demokratische Teilhabe endet nicht mit einem Klick auf der Online-Karte – sie beginnt dort erst richtig“, sagt Sarah Veigel, Co-Vorsitzende der Volt-Fraktion Hamburg-Mitte. „Wer Menschen um ihre Ideen bittet, muss sie auch ernst nehmen. Partizipation ohne Rückmeldung ist kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt für die Demokratie.“

Wir als Volt Fraktion HH-Mitte fordern deshalb ein Update der Beteiligungsstrukturen:

  • Automatische Schnittstellen: Die Beteiligungsplattform DIPAS muss Vorschläge direkt an die zuständigen Bezirksämter weiterleiten (und umgekehrt Rückmeldungen zurückspielen). So kommt jede Idee verlässlich dort an, wo über ihre Umsetzung entschieden wird.
  • Verbindliche Prüfungspflicht: Jeder eingereichte Vorschlag soll verpflichtend geprüft werden – nach transparenten fachlichen Kriterien und innerhalb klar definierter Fristen. Bürger-Ideen dürfen nicht mehr im Verwaltungspostfach versanden.
  • Rückmeldepflicht: Die Einreicher:innen müssen nachvollziehen können, was mit ihren Ideen geschieht. Eine digitale Rückmeldungspflicht soll sicherstellen, dass Ergebnisse der Prüfung – ob umsetzbar, in Planung oder leider abgelehnt – transparent zurückgespiegelt werden.

„Es kann nicht sein, dass 650 Bürger:innen Ideen einreichen und nur drei davon überhaupt geprüft werden. Die Beteiligung funktioniert – aber die Weitergabe nicht. Zwischen Bürger:innen und Verwaltung fehlt die Schnittstelle, die Ideen in Verwaltungshandeln übersetzt. Genau da müssen wir ansetzen“, ergänzt Jacob Schoo, Co-Vorsitzender der Volt-Fraktion Hamburg-Mitte.

Mit einem entsprechenden Antrag in der Bezirksversammlung wollen wir als Volt Fraktion HH-Mitte sicherstellen, dass Bürgerideen künftig automatisch übermittelt, verbindlich geprüft und transparent beantwortet werden. Denn wer Beteiligung ernst meint, muss sie auch möglich machen – technisch, personell und organisatorisch. Nur so kann aus digitaler Begeisterung auch tatsächliches Begrünen werden – für ein kühleres, grüneres Hamburg.

Dein Volt-Update!

Erhalte exklusive Einblicke in die Arbeit der Volt-Fraktionen in Hamburg.

Über welchen Bezirk willst du informiert werden?

Mit deiner Anmeldung erhältst du regelmäßig Updates zur Arbeit der Volt-Fraktionen in Hamburgs Bezirken. Du kannst den Newsletter jederzeit abbestellen. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Nach oben scrollen
Cookie Consent mit Real Cookie Banner